Nicole Westig

Abschaffung von § 219a: Persönliche Erklärung von Nicole Westig

Der Bundestag hat am Freitag die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch beschlossen. Nicole Westig stimmte für den Gesetzentwurf und gab eine persönliche Erklärung ab:

Persönliche Erklärung nach § 31 GO BT

TOP 7 Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch

Die heutige Entscheidung zur Abschaffung des § 219a ist für mich eine längst überfällige. Denn es entspricht in keinster Weise der Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert, dass ausgerechnet diejenigen nicht über etwas sachgerecht informieren dürfen, die dazu am besten befähigt sind.

Aus meiner festen Überzeugung kann ungeborenes Leben nicht gegen die Mutter, sondern nur mit ihr geschützt werden. Dies entspricht auch der Rechtsauffassung des Gesetzgebers, der in seinem Schutzkonzept für das ungeborene Leben davon ausgeht, dass „jedenfalls in der Frühphase der Schwangerschaft ein wirksamer Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens nur mit der Mutter, aber nicht gegen sie möglich sei.“

Eine Frau, die ungewollt schwanger ist, befindet sich in einer akuten Notlage. In einer Lage, in der sie dringend auf Informationen von kompetenter Seite angewiesen ist. Wir haben in unserem Land für diesen Fall ein großes Netzwerk an Beratungsstellen, die Informationen zu Anlaufstellen und sozialen Fragen liefern. Doch ausgerechnet diejenigen, die die kompetentesten Informationen zum medizinischen Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs geben könnten, dürfen auf dieses Aufklärungsangebot nicht aufmerksam oder die entsprechenden Informationen öffentlich machen. Ärztinnen und Ärzte müssen für dieses – in jedem anderen Bereich völlig normale Angebot - noch immer Strafverfolgung befürchten.

In unserer digitalen Wirklichkeit suchen viele Frauen diese Informationen, die sie in ihrer Notlage dringend benötigen, im Internet und laufen Gefahr, dort auf Fake News und Verschwörungstheorien zu stoßen.

Gerade als Gesundheitspolitikerin sehe ich mich in der Verantwortung, dafür zu sorgen, Frauen in der Notlage einer ungewollten Schwangerschaft niederschwelligen Zugang zu kompetenten medizinischen Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch zu verschaffen. Ärztinnen und Ärzte sind dafür am besten qualifiziert und deshalb ist der § 219a mit unserer Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert nicht mehr vereinbar.

Die immer wieder betonte Gefahr, die Abschaffung des Paragraphen 219 a würde zu reißerischer Werbung für Schwangerschaftsabbrüche führen, sehe ich nicht gegeben. Denn nach ihrem Berufsrecht und –ethos sind Ärztinnen und Ärzte ohnehin daran gebunden, nur sachlich zu informieren. Das schließt jegliche Art der Information aus, die die die Entscheidungsfreiheit der Frau beeinträchtigt, in eine bestimmte Richtung lenkt oder gar Schwangerschaftsabbrüche kommerzialisiert.

Ich stimme also heute mit voller Überzeugung für den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch“ und damit für die Abschaffung des Paragraphen 219 a. Damit schaffen wir mehr Selbstbestimmung für Frauen und Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte.

Gleichzeitig setze ich mich dafür ein, dass – wie im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbart – Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden und die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen gewährleistet wird. Zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung gehört auch die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen.

Davon abgesehen ist die beste Lösung, dass es erst gar nicht zu ungewollten Schwangerschaften kommt. Deshalb werde ich mich gemeinsam mit der Ampelregierung für mehr Aufklärung und für die Weiterentwicklung von Verhütungsmitteln einsetzen. Ich begrüße ausdrücklich das Vorhaben der Koalition, die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anzuheben.

 

Nicole Westig MdB

Berlin, den 24. Juni 2022